Kolumnen

Ins Verhältnis gesetzt: Die Eingliederungshilfe


Die Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurde auch damit begründet, die Ausgabendynamik bremsen zu müssen. Um für diesen unpopulären Schritt dennoch die erforderliche Akzeptanz zu erreichen, wurden allerhand Statistiken bemüht. In der Rückschau, also gut drei Jahre später, stellt sich schon die Frage, wieso niemand diese Kostenposition ins Verhältnis zu anderen öffentlichen Ein- bzw. Ausgaben gesetzt hat. Höchste Zeit, sichdarüber mal Gedanken zu machen!

Als sich die oberste Riege hinstellte, um zu verkünden, dass aufgrund ausbleibender euthanasiebedingter Einspareffekte es Zeit sei, endlich die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe per Gesetz zu bremsen, da wurden allerhand Zahlen und Statistiken bemüht, um Verständnis oder gar Zustimmung (Ja, da haben sich Einige nicht entblödet…) zum Gesetz zu erlangen.

Was man seinerzeit nicht gemacht hat, ist, die Zahlen für die Kosten der Eingliederungshilfe ins Verhältnis zu anderen staatlichen Ausgabenpositionen zu setzen.

Wäre dies gemacht worden, hätte der „im Lichte der UN-BRK“ vollzogene Schwenk ins neoliberale Zeitalter als billige Rhetorik enttarnt werden können. Aus Unbehagen vor des mündigen Wählers unberechenbares Votum haben die Berliner Damen und Herren dann in atemberaubend kurzer Zeit ganze Arbeit geleistet. Und der und auch die ein oder andere fiel danach aus Dank erwartungsgemäß auch die Treppe rauf.

Was aber im Jahr 2016 tatsächlich geschehen ist, veranschaulicht das folgende Bild:

Herr Dagobert Superreich zahlt jedem seiner drei Kinder monatlich 20 Euro Taschengeld. Nun bekommt er, das soll es ja geben, jedes Jahr ein weiteres Kind, sodass sich seine Aufwendungen für das Taschengeld jährlich um jeweils 20 Euro erhöhen.

Und als sein sechstes Kind zur Welt kommt, stellt er fest, dass sich seine Aufwendungen in drei Jahren verdoppelt haben und dass aus den anfänglich 60 € mittlerweile 120 € geworden sind. Als Frau Dagobert Superreich ihrem Göttergatten eines Abends erzählt, dass sie wieder ein Kind erwartet, beschließt ihr Mann, diese „Ausgabendynamik“ zu bremsen.

„Früher, als Ihr weniger ward, musste ich für Euch nicht so viel bezahlen“, erklärt er seinen Kindern, die angesichts dieser verblüffenden Logik ihren Vater äußert irritiert anschauen. Und dann hören sie noch, wie er was von „Euthanasie“ sagt, und dass man davon heute nichts mehr merken würde und dann brummt er noch was von „Inklusion“, „Personenzentrierung“ und „Selbstbestimmung“. Irgendwie scheint er ganz schön durcheinander zu sein und den Kindern wird schlagartig klar, dass Vorsicht geboten ist und dass Vater es offensichtlich ernst meint.

Sie starten daraufhin allerhand öffentlichkeitswirksame Aktionen, springen in Flüsse, ketten sich an Zäune und machen auf ihre Situation aufmerksam. Als sie merken, dass die etablierten Vereine und Institutionen, die sich traditionell um Kinder und um Taschengeldfragen kümmern, sich nicht hinter dem Ofen hervorwagen und dass sie, die Kinder, folglich von ihnen auch keine wirkliche Unterstützung zu erwarten haben, wird ihnen das ganze Ausmaß ihrer Misere bewusst.

Dann läuft ein Schauspiel ab, das seinesgleichen sucht und so sind die Kinder nicht wirklich überrascht, als sie eines Tages ihren Vater und die etablierten Institutionen, die sich traditionell um Kinder und um Taschengeldfragen kümmern, gesellig bei einem Glas Rotwein im Biergarten beim Plausch beobachten.

Mittlerweile hat der Vater allerhand Schaubilder, Grafiken und Statistiken zusammengetragen, reist durchs Land und macht auf die Dramatik dieser Entwicklung aufmerksam. Dabei ist ihm klar, dass er, wenn er nicht als Kinderfeind dastehen will, die ganze Vorhaben so darstellen muss, als ginge es vorrangig bei der Aktion um Verbesserungen für seine Kinder. Prompt haucht er so schicke Worte wie „EUTB“ und „Frauenbeauftragte“ in die bereitgestellten Mikros und wird tatsächlich ein wenig rot, weil die Scheinwerfer so hell leuchten.

Dann geschieht, was geschehen ist und seit 2016 ist sie nun da, die „größte Reform der Eingliederungshilfe“ seit dem Krieg. Der Vater hat’s geschafft: Es gibt keinen kausalen Zusammenhang mehr zwischen der Anzahl von Menschen mit Behinderungen und den dafür aufzuwendenden Kosten. Sechs Kinder heißt nun nicht mehr auch automatisch 6x 20€ Taschengeld.

Ein Versäumnis jener turbulenten Tage ist, dass sich niemand für  Dagobert Superreichs Gehaltszettel interessiert hat.

Wie hoch eine Ausgabe tatsächlich ist, bestimmt sich nämlich nicht allein aus der Addition einzelner Positionen. Um die 6x20€ Taschengeld richtig einordnen und bewerten zu können, muss man sie (auch) ins Verhältnis zu Dagobert Superreichs Einkünften setzen.

Die Frage lautet also: Wie hoch waren eigentlich die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen in den letzten Jahren?

Die Antwort: 2015 = 673,26 Mrd. € / 2016 = 705,79 Mrd. € / 2017 = 734,51 Mrd. € und 2018 = 776,26 Mrd. €.

Zudem hat Herr Superreich auch noch eine „schwarze Kasse“. Oder wie würden Sie das bezeichnen, wenn er sich zur Verbesserung seiner finanziellen Situation klammheimlich bei den Rücklagen der Rentenversicherung bedient? Seit 1957 hat er sich so über 800 (!) Milliarden Euro angeeignet. (Weiterdenken ist Pflicht!!)

Statt seinen Gehaltszettel vorzulegen, fuchtelt Vater Superreich wild mit den Geburtsurkunden seiner Kinder in der Gegend rum, stellt Bezüge zur verpufften „Wirkung“ der Euthanasie (Wie “wirkt“ eigentlich Euthanasie?) her und legt ein unbekümmertes Zeugnis seiner Gesinnung ab, dass selbst jemand, der „an den Rollstuhl gefesselt“ ist, es nicht schafft, sitzen zu bleiben.

Wenn man dann noch sieht, wofür Vater Dagobert Supperreich sonst so Geld ausgibt, bekommt die „Bremsung der Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe“ ein weiteres Geschmäckle: Da sind zunächst die „Klassiker“, wie die täglichen 1.000.000,00 Euro für den Berliner Flughafen, die Kosten für unser aller Segelschulschiff, der Unterhalt für Dagoberts Dependance in Bonn oder die 155 Millionen, die allein das Verteidigungsressort für Beraterverträge im ersten Halbjahr 2019 ausgegeben hat. Im Jahr 2019 gibt es für die Berliner 251 Arbeitstage. Da hat Mister Dagobert also mehr als eine Millionen Euro werktäglich berappt. Nicht sein eigenes Geld, übrigens. Das, was er da ausgegeben hat, hat er zuvor bei uns allen eingesammelt.

Und noch eine weitere buchhalterische Glanzleistung ist Herrn Superreich geglückt: Da hat sich nämlich eine gigantische Deckungslücke bei den Aufwendungen für die Pensionen seiner ehemaligen Bediensteten aufgetan. Die sind im Jahr 2018 um 70 Milliarden auf 757 Milliarden Euro gestiegen, obwohl Herr Superreich hierfür nur schlappe 17,53 Milliarden Euro zur Seite gelegt hat. (Auch hier ist Weiterdenken Pflicht!!)

Vater Superreich schuldet um und hat dafür den Arbeitstitel „Umsetzung der UN-BRK“ gewählt, während sein Hofstaat brav applaudiert und derweil mit Sekt und Schnittchen inkludierende Werkstattneubauten eröffnet.

Drei Jahre sind die letzten Proteste her. Gründe, sie fortzusetzen, gibt’s allemal! Denn es kommt entscheidend darauf an, womit man die Kosten der Eingliederungshilfe ins Verhältnis setzt!

Also, beim nächsten Mal dran denken und sich erst mal Vater Dagoberts  Gehaltszettel zeigen lassen, ehe er wieder im „Lichte der UN-BRK“ an der Eingliederungshilfe rumschraubt!


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