Vorträge und Referate

Bildungsprofil und Fachkompetenz des multiprofessionellen Teams in der Begleitung von Menschen mit Behinderung im Alter, bei Krankheit und im Sterben


Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn man als letzter Redner des Tages zu einem solch komplexen Thema zu Wort kommt, dann ist es weder für den Redner noch für die Zuhörer einfach, sich noch einmal zu konzentrieren und zu motivieren. Aber, meine Damen und Herren, selbst wenn schon viel gesagt wurde, so ist noch nicht alles gesagt. Und auch nach dieser Konferenz wird das, was noch gesagt werden muss, immer noch größer sein, als das, was gesagt ist.

Ich möchte in meinen Redebeitrag, der völlig altmodisch ohne Power-Point-Unterstützung daherkommt, zunächst die Frage stellen, warum wir uns so schwer tun mit diesem Thema.

Danach möchte ich auf Qualifizierung und Qualität eingehen. Im letzten Teil dann zeige ich den Bedarf und die Notwendigkeit zur fachlichen Vernetzung auf.

 

1. Befunderhebung – oder: Warum sich so wenig bewegt

Ist es nicht verwunderlich, warum wir erst heute dieses Thema auf der Tagesordnung haben? Was macht es also so schwierig, sich dem Thema zu nähern und hier eine Position zu beziehen? Hier sind meiner Ansicht nach mindestens drei Faktoren zu benennen: Das erste Problem ist die Schnittstellenproblematik und die mangelnde Verzahnung einzeln versäulter Parameter, nämlich:

Unterschiedlichkeiten

  1. unterschiedliche Gesetzbücher. Im Wesentlichen seien hier genannt: SGB V, SGB XI und SGB XII mit ihren jeweiligen Rechtskreisläufen und Zuständigkeiten,
  2. unterschiedliche Kostenträger (Sozialhilfe, Krankenkasse) mit ihren jeweiligen Vorgaben,
  3. unterschiedliche Bundesländer mit ihren jeweiligen landesrechtlichen Regelungen

Der zweite Faktor, wieso uns bei dem Thema die Puste ausgeht, ist die Geschichte.


Die Last der Geschichte

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass mit der nahezu flächendeckenden Ermordung von Menschen mit Behinderungen vor gut 70 Jahren auch Wissen und Fachlichkeit vernichtet wurde. Zu den, um einen Begriff von Daniel Goldhagen aufzugreifen, „willigen Vollstreckern“ gehören auch viele unserer Berufskollegen. Das Fachwissen im Bereich der Behindertenhilfe hat sich in Deutschland nicht kontinuierlich entwickelt, sondern in und mit großen Brüchen.

Hierzu kann übrigens durchaus die Zusammenführung beider deutscher Staaten gezählt werden. Während beispielsweise in den 80er Jahren im Westen Deinstitutionalisierung und Enthospitalisierung die großen Themen waren, schossen im Osten die sogenannten „Ersatzneubauten“ wie Pilze aus dem Boden. Auch das hat Zeit gekostet und so ganz ist der Gleichschritt an dieser Stelle noch nicht hergestellt.

Nur im Blick auf die Geschichte erklären sich Leitsätze aus den 70er und 80er Jahre, in denen sich Heime und Anstalten als „Ort zum Leben“ verstanden und den Bewohnern ein „lebenslanges Wohn-und Bleiberecht“ garantierten. Heute, wo es um gesellschaftliche Teilhabe und um Inklusion geht, klingt der Satz eher bedrohlich und impliziert zudem, dass alle Leistungen, die ein Mensch mit Behinderungen im Laufe seines „Heim“-Lebens benötigt, auch von diesem gestellt bekommen wird.

Heute wissen wir, um es vorsichtig zu formulieren, dass es eine andere Wirklichkeit gibt. So scheint es, als sei es in sächsischen Amtsstuben „hoffähig“, davon zu sprechen, dass Rentner, also Bewohner, die älter als 65 Jahre sind, die Wohnheime „verstopfen“. Es wird mehr oder weniger offen Druck auf Einrichtungen ausgeübt, Personen, die eine Pflegestufe haben und älter als 65 Jahre sind, aus den Einrichtungen der Eingliederungshilfe ausziehen zu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: Wo kommen wir hin, wenn der Rechtsanspruch auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nur temporär gewährt wird oder wenn er an Bedingungen geknüpft wird, wie zum Beispiel der, dass KEINE Pflegestufe vorliegen darf? „Keine Teilhabe ab 65 Jahren und bei Vorliegen einer Pflegestufe“, das scheint das Credo der Sozialhilfeträger zu sein, dem klar widersprochen werden muss.


Tabuthema Tod

Und ein letzter Grund, warum es schwierig ist, einen Zugang zu dem Thema zu finden, sei kurz benannt. Es ist dies die Tatsache, dass wir sowohl ein gesellschaftliches als auch ein individuelles Tabuthema vor uns haben.

Eine Gesellschaft, die Salben gegen Besenreiser und Augenfalten konsumiert, Anti-Aging-Food in den Regalen stehen hat und sich Hormone spritzt, hat kein wirkliches Interesse, sich mit Tod und Sterben auseinander zu setzen.

Und, was für die Gesellschaft gilt, gilt auch für ihre einzelnen Mitglieder. 2006 veröffentlichte die Identity Foundation, Düsseldorf eine in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Soziologie der Universität Hohenheim durchgeführte repräsentative Erhebung.

Hier einige Aussagen:

  • „Die meisten Deutschen lehnen es ab, sich überhaupt mit Sterben und Tod zu beschäftigen – schon deshalb, weil es in ihren Augen die „Freude am Leben“ beeinträchtigen würde.
  • Insbesondere Männer (75 %) verdrängen aus diesem Grund die Gedanken an das Thema, bei den Frauen sind es 63 %.
  • Nur ein knappes Drittel der deutschen Bevölkerung räumt hingegen ein, öfters über den Tod nachzudenken.
  • Selbst im Alter nimmt die Bereitschaft, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, nicht wesentlich zu. Jeder zweite der über 70jährigen blendet das Thema aus. Leben und Tod werden in Deutschland nicht zusammengedacht.
  • So überrascht es nicht, dass 60 Prozent der Deutschen Angst vor dem Sterben haben. Die Angst vor dem Tod ist schon in jungen Jahren präsent: 42 % der deutschen Teenager und Twens sehen dem Tod mit Angst entgegen.“

Auch wenn die repräsentative Bevölkerungsbefragung von 2012, die der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband veröffentlichte, zu etwas anderen Ergebnissen kommt, kann von einer grundsätzlich geänderten Einstellung dem Thema gegenüber nicht gesprochen werden.

Wir haben mit „Palliativ Care“ ein Thema vor uns, das es nicht leicht hat, sich Platz, Raum und Gehör zu verschaffen. Da wird eher geschwiegen und weggeguckt.

Und dann ist es plötzlich so, wie es immer ist: „Erst wenn das Wasser durch die Decke tropft, wird der Dachdecker gerufen!“ Es liegt uns nicht so, Probleme abstrakt und theoretisch zu besprechen. Die Lösung aus der Schublade, das ist nicht das Ding des Menschen.

Mit „uns“ meine ich übrigens nicht nur uns als Repräsentanten helfender Berufe, sondern ich meine damit genauso die Verwaltung, die ja auch nicht erst seit heute weiß, dass Menschen mit Behinderungen alt und pflegebedürftig werden.

Kann es sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Menschen mit Behinderungen heute auch deshalb ein entsprechendes Hilfeangebot fehlt, weil es in Deutschland ein organisiertes Töten von Menschen mit Behinderungen gegeben hat und weil damals die Erfahrung und das Wissen gleich mit vernichtet wurde und wir es uns nun wieder aneignen

müssen?

Wenn dies so sein sollte, dann bedeutet dies, dass es nicht nur eine fachliche Notwendigkeit gibt, sich endlich mit diesem Thema zu befassen, sondern auch eine moralisch-ethische Pflicht.

 

2. Die drei QU’s: Quantifizierung, Qualität und Qualifikation

Wenn es um die Frage geht, welche Qualifikation, welches Bildungsprofil und welche Fachkompetenz in einem multiprofessionellen Team vorhanden sein sollte, das einem Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Phase des Sterbens begleitet, dann ist die Antwort nicht so leicht zu geben. Denn entscheidend ist, in welchem Kontext sich die Aufgabe der Sterbebegleitung stellt.

Wenn Sterben zum Leben gehört, dann muss es auch im Leben stattfinden dürfen. Und das wiederum bedeutet, auf die Behindertenhilfe übertragen, dass diejenigen, die als Erzieher, Heilerziehungspfleger und Sozialpädagogen die Begleiter beim Leben sind, auch beim Sterben dabei sind.

Und genau hier befindet sich ein deutlicher Konfliktpunkt: Einerseits ergibt sich, nicht zuletzt durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die Aufforderung, auf Segregation zu verzichten, andererseits aber erfordern bestimmte Lebenslagen eine hohe fachliche Spezialisierung. Und: Spezialisierung wiederum ist häufig nicht ohne Segregation möglich.

Dies macht eine Antwort auf die Frage, ob spezielle Hospize nur für Menschen mit einer geistigen Behinderung sinnvoll wären, in gewisser Weise überflüssig.

Die Frage lautet: Wie kann es gelingen, dem Besonderen gerecht werden, ohne es gleichzeitig zu besondern? Nimmt man die Aussagen der UN-Behindertenrechtskonvention ernst, dann bedeutet dies, dass die Fachlichkeit zu dem Menschen kommen muss, und nicht der Mensch zu Fachlichkeit.

Die Mitarbeiter, die heute noch mit Dir Fußball spielen, sollen morgen auch an Deinem Bett stehen dürfen.

Das Deutsche Ärzteblatt berichtet über ein Forschungsprojekt aus Nordrhein-Westfalen zur Situation alter Menschen mit Behinderungen, deren Ergebnisse unter dem Titel „Alter erleben“ veröffentlicht wurde. Dort finden sich auch Aussagen zur mittleren Lebenserwartung von Menschen mit Behinderungen. Diese beträgt, der Studie zufolge, 70,93 Jahre bei Männern und 72,84 Jahre bei Frauen.

Da in Sachsen die Kostenträgerzuständigkeit ab dem 65. Lebensjahr bei den Kommunen liegt, gibt es keine Zahl, die die Größe der Gruppe beschreibt, die diesen Durchschnittswerten entspricht. Das, so scheint es mir, ist das erste, was nachdrücklich und grundsätzlich zu fordern ist: eine valide Datenlage.

Um ein gutes Angebot zu implementieren, brauchen wir verlässliche Zahlen, oder, wie man neuerdings gern zu sagen pflegt: „belastbare“ Zahlen. Wir müssen uns mit unseren Gesprächspartnern nicht nur über die Inhalte, sondern zunächst und somit vorrangig, über die Dimension des Themas verständigen.

Hängt doch erfahrungsgemäß die Bereitschaft, ein Thema auf die Tagesordnung zu nehmen, maßgeblich von ihrer quantitativen Bedeutung ab. Wir müssen wissen, wie groß die Personengruppe ist, um die es hier geht, damit wir einerseits die Wichtigkeit darstellen und andererseits entsprechende Hilfen aufbauen können.

Mir scheint dies übrigens ein generelles Problem helfender Berufe zu sein, dass sie selten auf aktuelle und gut aufbereitete Zahlen zurückgreifen können. Ein Schelm, der Böses dabei denkt..

Von George Bernhard Shaw, stammt folgender nachdenkenswerter Ausspruch:

„Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.“

Dieses Zitat beschreibt unser Problem etwas „griffiger“ und humorvoller. Die Botschaft: Wer sich nicht die Mühe macht und genau Maß nimmt, schafft am Ende nur ein Angebot von der Stange.

Das Individualisierungsprinzip ernsthaft umzusetzen bedeutet: Jedes Mal neu Maß nehmen und ein waches Auge für Veränderungen zu haben. Das bezieht sämtliche Phasen des Lebens mit ein, selbstverständlich natürlich auch das Sterben.

Wir haben alle eine gute „Schneiderausbildung“ und sind seinerzeit mit dem Anspruch, personenzentriert und individuell zu helfen gestartet, während uns die Verwaltung am liebsten zu Verkäufern bei H&M und C&A machen möchte: Genäht wird woanders, Maßgenommen wird fiktiv mit starker Orientierung am Durchschnitt, und der Preis wird von der Konzernleitung festgelegt.

Was wäre, wenn Herr Shaw heute zu H&M käme und ihm der Anzug von der Stange nicht passt? Was würden die Mitarbeiter mit einem alten grantelnden Kunden machen? Vermutlich würden sie ihn wegschicken. Und das aus zwei Gründen: Erstens, weil sie fachlich nicht kompetent sind und, zweitens, weil ihre sächliche Ausstattung unzureichend ist.

Wenn die Behindertenhilfe Menschen zum Sterben wegschickt, dann wohl deshalb, weil sie sich als fachlich nicht ausreichend kompetent sieht (oder angesehen) wird und sächlich unzureichend ausgestattet ist.

Wir müssen also an zwei Fronten nachbessern: der Qualifikation und der sächlichen Ausstattung.

Die Behindertenhilfe muss sich ändern. Sie muss konzeptionelle Aussagen zu Palliativ Care entwickeln, sie muss Weiterbildungskonzepte und Zusatzqualifikationen kreieren. In den QM-Handbüchern, in den Leistungsbeschreibungen und in den Konzeptionen müssen selbstverständlich auch Leitlinien zu Palliativ Care aufgenommen werden.

Wer seine Wohnstätte, UN-BRK hin oder her, so bewirbt, dass Bewohner in ihr ein lebenslangen Wohn-und Bleiberecht haben, der darf sich nicht um Aussagen zu Palliativ Care drücken.

In der Schweiz wurde 2012 eine sehr umfangreiche Studie zur Situation in den Schweizer Wohnheimen der Behindertenhilfe durchgeführt.

Hier einige Zahlen:

  • die Frage, ob Bewohner bis an ihrem Lebensende im Wohnheim verbleiben können, beantworteten 53,4% mit „nein“.
  • Und ob Leitlinien zu Palliativ Care vorhanden seien, beantworteten 90,3% der befragten Heime mit „nein“


Die Aussagen der zitierten Befragung des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes 1:1 auch auf die Behindertenhilfe übertragen, bedeutet, dass 66% der Heimbewohner in dem Heim sterben möchten, in dem sie leben.

Ich möchte an dieser Stelle deutlich dafür werben, dass es in Einrichtungen der Behindertenhilfe verpflichtend Standard wird, konzeptionelle Aussagen zu Palliativ Care zu treffen.

Hierin wäre u.a. zu regeln:

  • Sicherung des Wohlbefindens des Betroffenen
  • Aussagen zur psychischen, sozialen und spirituellen Hilfen für den Betroffenen und seiner Angehörigen
  • Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter
  • Aussagen zur Begleitung der Pflege- und Betreuungspersonen
  • Aussagen zur Begleitung der Mitbewohner
  • Aussagen zur Zusammenarbeit mit externen Teams (Pflegedienste, „Brücketeams“, etc.)
  • Aussagen zur Sterbe- bzw. Trauerkultur in der Einrichtung
  • Etc.


Wenn Organisationen Leitlinien zuP alliativ Care haben, können Personen mit einer Behinderung bei Entscheidungen am Lebensende mehr selbst- und mitbestimmen. Aber auch die Mitarbeiter wissen, was zu ihren Aufgaben gehört. Die Sterbebegleitung stellt nämlich Anforderungen an den einzelnen Mitarbeiter, bei denen es um mehr geht, als dass sich alle lieb haben und empathisch miteinander umgehen.

Glücklicherweise kommt allmählich Bewegung in das Thema. Die Akademien und Institute haben das Thema entdeckt. Dennoch ist hier viel zu tun. So beispielsweise die Palliativakademie eine entsprechende Weiterbildung im Sinne einer Basisqualifizierung aufgelegt.

Es muss meines Erachtens auf bundeseinheitliche Standards gedrungen werden. Hier sind Verbände und Politik gefragt. Das setzt natürlich Willens- bzw. Meinungsbildung und ein übergreifendes Agieren voraus. Wenn wir dieses Thema nicht bewältigen, dann können wir einpacken. Es geht um Glaubwürdigkeit.

Mit Hänschen in den Zoo gehen, ihm einige lebenspraktische Dinge nahebringen ihm vorgaukeln, er könne bei uns alt werden, und ihn dann wegschicken, nur weil wir uns mit den unterschiedlichsten Partnern nicht zu Fragen von Strukturen, Zuständigkeiten, Qualifikationen und Finanzen einigen konnten, das ist fahrlässig.

Der Maßstab zur Beurteilung der Qualität von Dienstleistungen der Behindertenhilfe ist doch die Antwort auf die Frage, was uns für die Schwächsten einfällt. Wir müssen vom Schwächsten her denken. Ein Mensch, der im Sterben liegt, zählt naturgemäß zu dieser Personengruppe. Wenn dies kein Platz hat, also Sterben nicht im Leben stattfinden darf, dann ist auch das Leben nicht lebenswert.

Übertragen auf die stationäre Behindertenhilfe würde das bedeuten, dass ein Heim, in dem man nicht sterben kann, auch keine Lebensqualität bietet.

Wir müssen Leben und Sterben zusammen denken und dann in Konzeptionen und Leistungsbeschreibungen auch zusammenführen.

Nicht nur auf dem Papier muss Leben und Sterben zusammengeführt werden, sondern auch in den Köpfen und Herzen. Wir müssen Mitarbeiter ausbilden, die beides sehen, denken und fachlich zu meistern in der Lage sind. Denn die Würde des Sterbenden wird bedingt durch die Würde der ihn Betreuenden.

Hier wären zu nennen:

  • Grundwissen zur Schmerztherapie
  • Kompetenzen zur psychischen Unterstützung
  • Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Endlichkeit
  • Grundwissen zur Palliativversorgung
  • Tod und Spiritualität
  • Kommunikation mit Angehörigen und Bewohnern
  • Trauerbegleitung
  • Besondere Anforderungen und Problemlagen bei Menschen mit (geistiger -und Mehrfachbehinderung
  • Pflegerische Aufgaben
  • Ethische Fragen und juristische Grundlagen
  • Etc.


Ein weiteres ist mir noch wichtig. Bei der Recherche zu diesem Thema fiel mir auf, dass das Thema partiell durchaus da ist. Was aber fehlt, ist eine Vernetzung.

 

3. Vernetzung schaffen - Gemeinsam sind wir stark

Es könnte dem Anliegen durchaus dienlich sein, wenn es zu einem „Netzwerk Palliativ Care in der Behindertenhilfe“ käme.

Wir müssen uns zusammentun, unser Wissen und unsere Energien bündeln, unser Konzepte und Ideen austauschen und gemeinsam der Politik auf die Füße treten. Wir müssen uns für Standards stark machen und dafür, dass das Thema stärker ins allgemeine Bewusstsein tritt und sein Nischendasein beendet.

Wir müssen das Thema so formulieren, dass es als Nagelprobe von und für die beiden Hilfesysteme „Pflege“ und „Behinderung“ wahrgenommen wird.

Wir müssen die Abgrenzung zwischen Pflege und Pädagogik überwinden und eine neue berufliche Identität definieren. Eine Identität, die dem Sterben im Leben Raum gibt.

Es kommt gelegentlich vor, dass ich nach einer Idee für einen guten Nutzungszweck für eine in Trägerbesitz befindliche leerstehende Immobilie gefragt werde. Das Haus ist da, steht leer, und soll irgendwie zu neuem Leben erwachen. Also wird eine Nutzungsidee gesucht. Und weil man seine Brötchen nun mal im Sozialen Bereich verdient, soll es selbstverständlich auch ein sozialer Nutzungszweck sein.

Es geht nicht primär um die Menschen, sondern um das Gebäude. Im Vordergrund steht ein ökonomisches Interesse und nicht der Bedarf. Damit ist ein grundsätzliches Spannungsfeld unserer Arbeit beschrieben: Der tatsächliche Bedarf und die ökonomischen Eigeninteressen.

Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es bei diesem Thema, dem Thema von Palliativ Care in der Behindertenhilfe, keine Eigeninteressen. Solange sich die singulären Einzelinteressen, egal um wessen Interessen es sich handelt, am Bedarf orientieren, ist dies in Ordnung.

Damit das nicht auseinanderdriftet, Eigeninteressen und Bedarf, braucht es eine Verbindung untereinander, ein Netzwerk. Wir können gemeinsam mehr erreichen als als Einzelne.

Und nicht zuletzt wäre eine Plattform gut, auf der Ideen und Konzepte ausgetauscht werden, wo man sich über Veröffentlichungen und Dokumente austauscht, auf Tagungen hinweist und dergleichen mehr.

Weil das Thema zu wichtig ist, um es unter der Rubrik „gut, dass wir da mal drüber gesprochen haben“, abzubuchen, muss ihm sozusagen dauerhaft und unwiederbringlich „ins Leben“ geholfen werden. Was wäre dazu besser geeignet als Vernetzung?

Und, Last but not least, könnte sich ein solches Netzwerk auch stark machen für einheitliche Curricula für Fort- bzw. Weiterbildung. Es ist nicht schlecht, wenn jeder etwas macht, gut ist es aber erst, wenn es hierfür einheitliche Standards gibt.

Meine Damen und Herren, im Bereich von Palliativ Care in der Behindertenhilfe stehen wir noch ganz am Anfang. Es gilt, auf den verschiedensten Ebenen tätig zu werden. Es wird sich nur etwas bewegen, wenn wir uns bewegen. Wir dürfen uns nicht entmutigen Lassen. „Geht nicht!“ gibt’s nicht.

Schließen möchte ich mit einer chinesischen Weisheit: „Der Mensch, der den Berg versetzte war derselbe, der anfing kleine Steine wegzutragen.“

Lassen Sie uns also diejenigen sein, die die kleinen Steine wegtragen. Am Ende wird es ein Berg sein, der versetzt wurde…


In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit


Gehalten am 20.06.2014 in Dresden im Rahmen des Fachtages zur Palliativen Versorgung von Menschen mit Behinderungen.


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