Kolumnen
Ab morgen kriegen sie in die Fresse!
Nur kurz zur Erinnerung: Das ist nicht der martialische Schlachtruf irgendwelcher Hitzköpfe, sondern das Zitat einer Dame, die für einen unbedachten Augenblick mal hat gucken lassen, wie sehr ihr die Koalition mit der CDU auf den Senkel ging.
Nun droht uns also die Fortsetzung der Situation, die bei der damaligen Arbeits- und Sozialministerin, Andrea Nahles, schon einmal solche Gefühle freigesetzt hat. Ja, richtig, sie, die uns das BTHG beschert hat, war es, die ihrem Herzen so freimütig Luft machte. Da hatte sich wohl allerhand angestaut in den letzten vier Jahren. Wer weiß, wie das BTHG aussähe, wenn es tatsächlich seinerzeit wirklich "was auf die Fresse" gegeben hätte. Aber was ordnet man nicht alles der Partei- bzw. Koalitionsdisziplin unter.
„Funktion von Katastrophen im Serien-Liebesroman“, so lautet (lt. WIKIPEDIA) der Titel der Magisterarbeit von Andrea Nahles aus dem Jahr 1999. Passt irgendwie. Was uns also jetzt als „Serien-Liebesroman“ verkauft zu werden droht, birgt die Funktion von Katastrophen bereits in sich. Und nun muss sie sich unter Umständen noch vier weitere Jahre in Geduld üben, ehe sie „was auf die Fresse“ geben kann.
Wir allerdings dürfen uns die Augen reiben und sollten wohl besser nicht recherchieren, was denn die Politiker der SPD bezüglich einer möglichen GroKo noch vor wenigen Tagen in die Mikrofone faselten. Was wir zutage fördern würden, wäre sicherlich nicht sehr demokratiefestigend.
Ganz großes GroKo-Kino steht uns da bevor und „GroKo“ wird wieder einmal mehr zum „Großen Kompromiss“. Wir erinnern uns: Ein Kompromiss ist ein Verhandlungsergebnis, mit dem niemand zufrieden ist. Also, nun könnte uns eine Regierung bevorstehen, die so gar nicht zusammenarbeiten kann, weil die Unzufriedenheit über das Aufgeben identitärer Positionen in der Regel aus Persönlichkeiten Hanswürste macht, die sich nun vier Jahre lang verbiegen und den Wunsch unterdrücken müssen, den anderen am liebsten „in die Fresse“ geben zu wollen.
Im Übrigen sind auch die Wähler nicht wirklich zufrieden, denn der Kampf um Kompromisse macht aus Wahlversprechen Wahlversprecher. Und das, was jetzt ins Haus steht, nur mal so zur Auffrischung, war weder auf einem Wahlplakat noch in einem Wahlprogramm zu finden. Das, was jetzt geliefert wird, hat niemand bestellt.
Wer nicht stutzig darüber wurde, dass Martin Schulz mit dem mathematisch auffälligen Ergebnis von 100% der Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, dem ist nicht wirklich zu helfen.
Leichter zu ertragen ist das Dilemma der SPD, wenn man sich mit ihrer Geschichte nicht befasst. Und wer von den Genossinnen und Genossen denkt, dass er in einer großen Koalition in weiteren vier Jahren zu einer Persönlichkeit heranreifen kann, war wohl die letzten vier Jahre irgendwo auswärts unterwegs, oder noch nicht an Bord.
Was sich da jetzt anbahnen könnte, ist weder für die Personen noch für die Partei profilbildend. Im Gegenteil.
Hamburg hat das Ohnsorgtheater und Berlin offensichtlich das Ohnverstandtheater. Hier läuft nun schon seit einigen Wochen die Neuinszenierung des Klassikers „Ich liebe Euch doch alle“. Ein Stück, in dem es um Macht, Realitätsverzerrung und Einsamkeit geht. Und wir lernen, wieder einmal, dass machtversessene Menschen in für sie bedrohlichen Situationen eher dazu neigen, Macht zu teilen, als sie ganz abzugeben. Das ist offensichtlich, zu unserem Übel, für sie das kleinere Übel.
Der SPD bleibt zu wünschen, dass sie die Größe aufbringt, sich nicht nur gegen eine mögliche Neuauflage der GroKo auszusprechen, sondern auch thematisch und personell neu aufzustellen. Wenn es dann beim nächsten Mal nicht exakt 100% der Stimmen werden, ist das ein gutes Zeichen.
Eine Neuauflage der GroKo, auch "Großes Kotzen" genannt, wird zu weiterem Profilverlust der beiden großen Volksparteien führen und die kritischen Wähler, die sich irgendwo in der Mitte verorten, auf die Suche schicken. Eine vorhersehbare Reaktion, wenn sich zwei so verbandeln, dass es nahezu egal ist, wen konkret man nun gewählt hat und wen gerade nicht.
Dem Wähler kommt schlicht und ergreifend die Mitte abhanden. Was bleibt jetzt dem, der die SPD wohl gut, die CDU aber schlecht findet? Und wo soll der hin, der die CDU bewundert, aber die SPD nicht ausstehen kann? Richtig, er wird sich wohl von beiden distanzieren und jenseits der Mitte auf die Suche gehen. Und wem das zuarbeitet, kann sich jeder denken, der denken
kann.
Politiker bewerben sich darum, Verantwortung übernehmen zu wollen. Was aber der Großteil von ihnen wirklich zu wollen scheint, ist nicht Verantwortung, sondern Macht. Wäre es da nicht sehr beruhigend, in einem Land zu leben, dem nicht die mächtigste, sondern die verantwortungsvollste Frau der Welt vorsteht? Wer träumt, soll weiterschlafen…
Wohin es führen kann, wenn an die Stelle von Verantwortung Macht tritt, ist nicht nur in Diktaturen zu beobachten, sondern auch im Amerika des Donald Trump. Wer nicht so weit weg will, wird natürlich auch in Europa fündig.
Die nächsten Tage bleiben in jedem Fall spannend und wir, Zaungäste des Weltgeschehens, können derweil ungestört unsere Studien betreiben und das tun, was wir immer gern tun: Uns unseren Teil denken und dabei denen, die gerade verhandeln, sondieren und schachern, in Erinnerung rufen: Ihr seid wohl unsere Vertreter, wir aber sind das Volk!
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